
Der Mitte Oktober vorgestellte Bericht „Right to Food and Nutrition Watch 2016“ widmet sich schwerpunktmäßig dem Thema Saatgut.
Das Menschenrecht auf angemessene Nahrung und Ernährung hat dem Saatgut und der landwirtschaftlichen Vielfalt nicht genügend Aufmerksamkeit gezollt.“ Diese Meinung vertreten Sofía Monsalve, Maryam Rahmanian und Antonio Onorati in ihrem Beitrag zum Bericht „Right to Food and Nutrition Watch 2016“. Es sei an der Zeit, das zu ändern.
Wie stark die Vielfalt bereits eingeschränkt ist, belegen nackte Zahlen. Die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) führt an, dass zur Jahrtausendwende 75 Prozent der Welternährung von nicht mehr als zwölf Pflanzenarten und fünf Tierarten geliefert worden seien. Monatlich verschwinden sechs Zuchtviehsorten. Drei Viertel der pflanzengenetischen Vielfalt der von Bäuerinnen und Bauern angebauten Lebensmittel seien im Laufe des 20. Jahrhunderts verloren gegangen. Die Vernichtung der landwirtschaftlichen Vielfalt sei angesichts des Klimawandels besonders bedrohlich. Denn Bäuerinnen und Bauern hätten es immer verstanden, das Saatgut wechselnden Umweltbedingungen anzupassen.
Kaum Schutz. Die FAO selbst hat in ihren 2004 erarbeiteten Richtlinien für das Recht auf Nahrung kaum auf die Saatgutproblematik Bezug genommen. Während die von transnationalen Konzernen vorangetriebenen internationalen Handelsverträge und Abkommen zum Schutz geistigen Eigentums schrittweise die Privatisierung genetischer Ressourcen durchsetzen, können sich Bäuerinnen und Bauern auf keine internationalen Schutzmechanismen berufen. Erst der 2009 geschlossene Internationale Vertrag über die pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGRFA) garantiert in seinem Artikel 9 das Recht der Bäuerinnen und Bauern, Saatgut aufzubewahren, zu nutzen, zu tauschen und zu verkaufen. Allerdings gibt das Abkommen weder Anleitungen, wie dieses Recht verwirklicht werden soll, noch schafft es Durchsetzungsmechanismen.
Die in Vermont, USA, lehrende Professorin Molly D. Anderson beklagt in ihrem Beitrag im Bericht, dass die von den Vereinten Nationen für 2030 angepeilten, nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) in der überholten Priorisierung des nationalen Wirtschaftswachstums gegenüber den Menschenrechten verharre. Indem die Menschenrechte als „Bedürfnisse“ angesprochen werden, mache man sogar einen „gefährlichen Schritt rückwärts“, der den Weg für deren Kommodizifierung, also wirtschaftliche Inwertsetzung, ebne. Das stehe allerdings in Einklang mit der in den Vereinten Nationen vorherrschenden Meinung, dass der Privatsektor den Schlüssel zur Implementierung der SDGs in der Hand halte. Ein menschenrechtlicher Zugang würde im Gegensatz dazu bei den Betroffenen ansetzen, um die Ernährungsunsicherheit zu bekämpfen. rl
„Right to Food and Nutrition Watch“ – Bericht 2016: www.rtfn-watch.org